In den letzten Wochen demonstrieren immer häufiger Kritiker:innen der von der Regierung veranlassten Corona-Bekämpfungsmaßnahmen Seite an Seite mit Corona-Leugner:innen und Impfgegner:innen. Teilweise werden unangemeldete Demonstrationen als „Spaziergänge“ getarnt und stellen die Polizei vor große Herausforderungen; denn nicht immer bleiben diese Märsche friedlich, wie die jüngsten Ausschreitungen in Magdeburg zeigen. Auch in Trier fand an diesem Samstag erneut eine Demonstration statt, bei der es zum Glück erneut friedlich blieb.

Der Trierer Landtagsabgeordnete Sven Teuber (SPD) zeigt sich sehr besorgt über die Zusammensetzung der Demonstrationsteilnehmer:innen und ihrer Radikalisierung: „Die Teilnehmenden sollten sich genau ansehen, an wessen Seite sie demonstrieren. Denn wo offene Botschaften wie ‚Wer jetzt noch die Impfpflicht fordert, soll elendig verrecken‘ in der Menge der Demonstrant:innen wie am vergangenen Samstag in Trier wieder einmal zu lesen sind, braucht es klare Distanzierung statt gemeinsames Marschieren. Ansonsten ist es nicht mehr glaubwürdig, zu behaupten, sich nicht mit solchen Botschaften zu identifizieren.“

Teuber weiter: „Mein Eindruck ist, dass sich viele Demonstrierende die Mühe nicht mehr machen, die Fakten zu recherchieren. Sie sind überfordert oder verweigern bewusst ihre Verantwortung und Anstrengung. Sie nisten sich in ihrer Welt ein, die ganz eigene Gesetze zu scheinen hat. Und da die selbst eingerichtete Parallelwelt nicht mit der von der sehr breiten Mehrheit getragenen Gemeinschaft im Einklang steht, geraten sie natürlich immer wieder in Konflikt mit denen, die unsere Gesetze hüten und schützen. Dadurch flüchten sie sich noch mehr in ihre Parallelwelt, in der sie Freiheit einfordern, die dafür notwendige Verantwortung jedes Einzelnen für die Freiheit des anderen aber ignorieren.“

Dass es sich bei den Demonstrationsteilnehmer:innen um eine deutliche Minderheit handelt, zeigen nicht nur die Zahlen der Demonstrierenden, sondern auch die Zahl der mittlerweile in Deutschland Geimpften. Aktuell sind bundesweit mindestens 71,9 % der Bevölkerung doppelt geimpft. 74,6 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten. 42,9 % sind geboostert. Trier wie auch ganz Rheinland-Pfalz liegen über dem Bundesschnitt. So sind in Trier bereits über 86% der über 12 Jährigen zweifach geimpft. Damit sind in Deutschland ca. 25,4 %, also rund 21 Mio. Menschen nicht geimpft. Darunter sind 4,8 % (4 Mio.) im Alter zwischen 0 bis 4 Jahren in einer Altersgruppe ohne zugelassenen Impfstoff. Demnach fehlen bundesweit ca. 17 Mio. Menschen, die sich zu einem großen Anteil impfen lassen könnten, dies aber bislang noch nicht getan haben.

Der sozialdemokratische Bildungspolitiker spricht sich angesichts der Faktenverweigerer:innen für ein breiteres Angebot an politischer Bildung auch nach Erreichen des Schulabschlusses aus: „Das Internet demokratisiert den Bildungszugang – ein großer Vorteil, aber in seiner Vielfalt auch eine Gefahr der Überforderung und unkritischen Herangehensweise an Quellen im Netz. Wir müssen mit unseren Bildungsangeboten für den Umgang mit Medien auch auf die Straße, direkt an die Leute heran. Es braucht auch lebenslanges Lernen in der politischen Bildung, das nicht dem Zufall und der eigenen Internetrecherche überlassen wird. Wir haben dafür sehr aktive und erfahrene Weiterbildungsträger:innen. Wir sollten gesellschaftlich darüber reden, dass wir diese Arbeit intensivieren, um Entwicklungen wie die aktuell sichtbare, mittelfristig einzudämmen. Für Trier werden wir im Stadtrat als SPD einen Antrag einbringen, der dem Rechnung trägt. Und auch im Land werde ich mich u.a. im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung dafür stark machen.“

Einen Anteil dazu beitragen, kann laut Teuber auch der Lokaljournalismus, der sich jedoch aktuell in einer schleichend schrumpfenden Situation befindet. Dieser sei enorm evident, um Menschen in ihrer Heimat zu integrieren, wo sie sich Sicherheit und Identität gewinnen:

„Der Lokaljournalismus befindet sich in einem Teufelskreislauf. Die abnehmende Zahl der Abonnements und Webkunden setzen die Verlage unter Kostendruck. Folge ist die Reduktion der Lokaljournalist:innen, die immer schneller und selektiver in einer Vielzahl von Medien arbeiten müssen. Trotzdem wachsen die Abo-Kosten, so dass die Qualitätsprodukte teurer und damit unattraktiver werden. So weichen noch mehr Menschen auf scheinbar kostenlose Quellen aus, die häufig nur Meinung statt Berichten produzieren. Qualitätskontrollen durch Verlage und Redaktionen greifen nicht mehr. Ein gefundenes Fressen für Verschwörer:innen. Demokratie braucht daher Bildung, starke, unabhängige Medien und wir sollten gesellschaftlich darüber schnell Klarheit erlangen, wie wir diese noch vorhandenen Strukturen stärken können statt sie in immer mehr Regionen zu verlieren.“

„Viele Strukturen der heute bundesweit sichtbaren Proteste gegen Coronamaßnahmen erinnern in ihrer zersetzenden Wirkung an die Proteste, die rund um PEGIDA vor einigen Jahren stattfanden. Es ist unsere staatliche Verantwortung, diese Entwicklungen nicht als Einzelphänomene, sondern als Prozess einer sehr kleinen Gruppe zu identifizieren, die uns auffordert, ihnen konsequent zu begegnen. Wir müssen die 95% stärken, die diese Radikalisierung nicht unterstützen. Wir sind eine wehrhafte Demokratie. Wir haben gute Grundlagen dafür, die aber in ihren Werten bestärkt gehören. Ich danke allen in den Sicherheits- und Ordnungsbehörden wie unserer Polizei oder den Ordnungsämtern, dass sie geduldig und konsequent diese wehrhafte Demokratie verteidigen und die Freiheit des Einzelnen dabei respektieren. Ich rufe gleichzeitig alle Bürger:innen dazu auf, sich von allen klar zu distanzieren, die Ängste schüren, missbrauchen und das nutzen, um zersetzend zu wirken sowie Grenzen der Meinungsfreiheit durch Bedrohungen, Hass und Hetze schon lange überschritten haben. Denn dies zerstört jedwede Grundlage für einen Meinungsaustausch“, so Teuber abschließend.